Die tiefen neuronalen Netzmodelle, die die anspruchsvollsten Anwendungen des maschinellen Lernens antreiben, sind inzwischen so groß und komplex, dass sie die Grenzen herkömmlicher elektronischer Hardware ausreizen. Photonische Hardware, die maschinelles Lernen mit Licht berechnet, bietet eine schnellere und energieeffizientere Alternative. Bis vor Kurzem konnten photonische Geräte jedoch einige Arten von Berechnungen neuronaler Netze nicht durchführen, sodass externe Elektronik erforderlich war, die Geschwindigkeit und Effizienz beeinträchtigte.
Mit einem Schritt, der die Zukunft der KI-Infrastruktur neu definieren könnte, stellte Lightmatter im April 2025 seinen revolutionären Envise-Photonikchip vor, der den Energieverbrauch drastisch senken und gleichzeitig KI-Workloads beschleunigen soll. Der Envise-Chip – der für Berechnungen Licht statt Elektronen nutzt – verspricht eine Lösung für die wachsenden Ineffizienzen herkömmlicher Siliziumchips, gerade in einer Zeit, in der KI-Modelle nie dagewesene Rechenleistung verlangen. Nach einer Finanzierungsrunde über 850 Millionen US-Dollar wird Lightmatter mit 4,4 Milliarden US-Dollar bewertet und positioniert sich an der Spitze eines neuen Computerparadigmas.
Die photonischen Prozessoren von Lightmatter nutzen Licht für Berechnungen, insbesondere für Tensor-Operationen, die im Deep Learning zentral sind. Durch die gezielte Steuerung von Licht mittels optischer Komponenten wie Wellenleitern und Linsen führen diese Chips Berechnungen mit Lichtgeschwindigkeit durch, erreichen nahezu elektronische Präzision und verbrauchen dabei deutlich weniger Energie. So erzielt ihr photonischer Prozessor beispielsweise 65,5 Billionen Adaptive Block Floating-Point 16-Bit-Operationen pro Sekunde bei nur 78 Watt Stromverbrauch.
Unterdessen präsentierte Q.ANT im Juni auf der ISC 2025 seinen photonischen Native Processing Server (NPS). Basierend auf Q.ANTs Light Empowered Native Arithmetic (LENA)-Architektur erreicht der NPS bis zu 30-fache Energieeffizienz gegenüber herkömmlichen Technologien und beeindruckende Spezifikationen: 16-Bit-Gleitkommapräzision mit 99,7 % Genauigkeit für alle Rechenoperationen, 40–50 % weniger notwendige Operationen für vergleichbare Ergebnisse und keinen Bedarf an aktiver Kühlinfrastruktur.
Neben Leistungssteigerungen haben Forscher auch gezeigt, dass selbst kleine Quantencomputer die Leistung beim maschinellen Lernen durch neuartige photonische Quantenschaltungen verbessern können. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass heutige Quantentechnologie nicht nur experimentell ist – sie kann klassische Systeme bei bestimmten Aufgaben bereits übertreffen. Bemerkenswert ist, dass dieser photonische Ansatz auch den Energieverbrauch drastisch senken könnte und damit einen nachhaltigen Weg bietet, während der Energiebedarf des maschinellen Lernens weiter steigt.
Während die künstliche Intelligenz weiterhin atemberaubende Fortschritte macht, stellt der wachsende Bedarf an Rechenleistung – insbesondere bei anspruchsvollen Inferenzaufgaben, wie sie etwa generative KI-Modelle wie ChatGPT erfordern – eine Herausforderung für herkömmliche elektronische Systeme dar. Fortschritte in der Photonik haben das Interesse an photonischem Computing als vielversprechende Rechenplattform für KI geweckt. Durch die enge Verbindung von KI und Photonik-Technologien entwickelt sich das intelligente Photonik-Computing zu einem aufstrebenden interdisziplinären Feld mit großem Potenzial, praktische Anwendungen grundlegend zu verändern.